Im Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise zeigt sich Europa solidarisch und handlungsfähig. Die EU-Staaten haben sich auf das größte Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte geeinigt.

Es geht um starke Investitionen für die Arbeitsplätze der Zukunft, die Digitalisierung und den Klimaschutz. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans begrüßt die Einigung. Er sieht „viel Licht, aber auch Besorgnis“.

„Es ging um viel Geld, wenig Zeit und grundlegende Werte“ schrieb Walter-Borjans auf Twitter. Er erinnerte daran, dass die Einigung ohne die SPD und den von Finanzminister Olaf Scholz gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen erarbeiteten Vorschlag für einen Wiederaufbauplan nicht zustande gekommen wäre.

Das Paket umfasst 1074 Milliarden Euro für den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen bis 2027 und 750 Milliarden Euro für ein Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Folgen der schweren Corona-Krise. Damit will sich die Europäische Union gegen den beispiellosen Wirtschaftseinbruch stemmen und den EU-Binnenmarkt zusammenhalten. Gleichzeitig soll in eine digitalere und klimafreundlichere Wirtschaft investiert werden. Dafür werden erstmals im großen Stil im Namen der EU Schulden aufgenommen, das Geld umverteilt und gemeinsam über Jahrzehnte getilgt.

Europäisches Bündnis der Solidarität

Erst am Montag waren zwei der umstrittensten Einzelpunkte gelöst und damit der Weg zum Gesamtdeal freigemacht worden. Zum einen fand man endlich einen Kompromiss zum Kern des Corona-Programms: Gemeinsame Schulden können aufgenommen werden und das Geld geht als Zuschuss an EU-Staaten. Im Gegenzug wurde die Summe dieser Zuschüsse aus dem Corona-Programm von 500 Milliarden Euro auf 390 Milliarden verringert. Dazu kommen 360 Milliarden Euro, die als Kredit vergeben werden.

Kopplung an rechtstaatliche Standards

Der zweite Knackpunkt wurde dann am Montagabend geklärt: Man fand eine Formel zur Koppelung von EU-Geldern an die Rechtsstaatlichkeit, die alle 27 Staaten annahmen. Zuvor hatten sich Polen und Ungarn strikt gegen einen solchen Rechtsstaatsmechanismus gewehrt, zumal gegen beide Staaten Verfahren wegen Verletzung von EU-Grundwerten laufen. Etliche EU-Staaten beharrten jedoch auf dem Mechanismus. Die Kompromissformel wurde von mehreren Staaten erarbeitet und in der Runde der 27 gebilligt.

Im neuen Text heißt es, der Europäische Rat unterstreiche die Bedeutung des Schutzes der finanziellen Interessen der EU und des Respekts der Rechtsstaatlichkeit. Vor diesem Hintergrund werde nun ein System der Konditionalität zum Schutz des Budgets und des Corona-Plans eingeführt - an die Vergabe von Geld sollen also Bedingungen geknüpft werden können. In diesem Kontext soll die Kommission dann bei Verstößen Maßnahmen vorschlagen können, die dann vom Ministerrat mit Zweidrittelmehrheit angenommen werden.

Walter-Borjans: „Respekt“

„Alle hatten keine Zeit zu verlieren. Deshalb Respekt vor der Fähigkeit zur Einigung“, betonte Walter-Borjans. Zugleich machte der Parteichef deutlich, dass die SPD bei einigen Punkten, etwa beim Umfang der Zuschüsse und der Sicherstellung der Rechtstaatlichkeit, weitergehende Vorstellungen hatte. „Es ist ein Kompromiss“, fasste Walter-Borjans zusammen. Als weitere Herausforderung sieht er das geringe Bewusstsein innerhalb der EU für die dringend notwendige Transformation. „Da ist Deutschland Vorreiter und muss weiter Triebkraft sein. Zusammen mit einem vernehmbaren Europäischen Parlament!“

Die SPD hatte sich gemeinsam mit ihren europäischen Schwesterparteien im Vorfeld des Gipfels intensiv auf allen Ebenen dafür eingesetzt, Positionen zusammenzuführen und Brücken zu bauen. Besonders auch beim Koalitionspartner CDU/CSU. Nun wird die Sozialdemokratie bei der konkreten Umsetzung während der deutschen Ratspräsidentschaft große Verantwortung übernehmen. Denn, so das Fazit des Parteichefs: „Sehr viel erreicht und noch sehr viel zu tun!“

Scholz: „Wendepunkt zu stärkerem Europa“

Vizekanzler Olaf Scholz wertet die Einigung beim EU-Gipfel als Wendepunkt zu einem stärkeren Europa. „Jetzt freue ich mich, diesen Plan mit meinen Finanzministerkollegen umzusetzen“, sagte Scholz. Die Coronavirus-Pandemie sei eine beispiellose Herausforderung, die die EU meistere. „Wir kämpfen gegen diese Krise in Solidarität und mit vereinten Kräften.“

Maas: EU zeigt sich entschlossen und solidarisch

Auch Außenminister Heiko Maas begrüßt den Durchbruch. „Am Ende sind wir weiter gesprungen, als uns viele zugetraut haben“, sagte der Außenminister. Die Europäische Union zeige, dass sie auch in der schwersten Wirtschaftskrise ihrer Geschichte in der Lage sei, entschlossen und solidarisch zu handeln. „Das ist ein starkes Fundament, um alle Bürgerinnen und Bürger in Europa gut durch diese Krise zu bringen“, so Maas.

Der Kompromiss wurde nach mehr als viertägigen Verhandlungen am frühen Dienstagmorgen bei einem Sondergipfel in Brüssel von den 27 Mitgliedsstaaten angenommen. Nun muss noch das EU-Parlament zustimmen, danach die nationalen Parlamente. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigte Verhandlungen ab nächster Woche an.